Herbeiführung unbegrenzter Haftung des Frachtführers bei Ladungsdiebstählen durch Sicherheitsvorgaben
Sicherheitsvorgaben bei Transportverträgen sind häufig. Diese betreffen entweder die Pflicht, bei Pausen besonders gesicherte Parkplätze aufzusuchen, LKWs mit festen Aufbauten statt Planen-LKWs zu verwenden, die Durchführung der Fahrt mit zwei Fahrern usw. Oftmals sind sie standardmässig in den verwendeten Vertragsmustern enthalten, weswegen sie in solchen Fällen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind, wie erst jüngst das OLG Naumburg (Urteil vom 11.03.2022, 7 U 76/21) betonte.
Verstossen Frachtführer gegen solche Auflagen, ermöglicht dies, ihnen vorsatzgleiches Verschulden i.S.d. Art. 23 Abs. 3 CMR vorzuwerfen. Dies hat zur Folge, dass die Haftungsgrenzen der CMR nicht anwendbar sind, sondern der Frachtführer für alle Schäden unbegrenzt haftet.
Inwieweit es tatsächlich zu einer unbegrenzten Haftung kommt, ist eine Frage des Einzelfalls. Instruktiv hierzu ist die erwähnte Entscheidung des OLG Naumburg. Ist die Klausel als AGB einzuordnen, stellt sich die Frage der wirksamen Einbeziehung in den Vertrag. Insbesondere kann es eine Rolle spielen, wenn die Klausel von dem zuvor Besprochenen abweicht und sie deswegen überraschend ist. Dieser Nachweis dürfte im Einzelfall aber schwer zu führen sein. Je wertvoller die Ware ist und je leichter deren Diebstahl, umso eher muss mit einer derartigen Klausel gerechnet werden. Eine Rolle spielt auch deren Erkennbarkeit: ist sie, wie im Fall des OLG Naumburg drucktechnisch hervorgehoben, wird es schwierig – wer Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht anschaut, ist selbst schuld! Gerade gegen die Vorgabe, sichere Parkplätze aufzusuchen, wird in der Praxis häufig verstossen. Oftmals wird dann mit recht wenig Substanz vertreten, ein sicherer Parkplatz habe nicht gefunden werden können, zumal der Fahrer seine maximale Lenkzeit erreicht habe. Hier spielt dann das Organisationsverschulden eine Rolle: hätte die Route so geplant werden können, dass ein sicherer Parkplatz erreicht werden konnte? Hatte der Frachtführer den Fahrer instruiert und ihm beispielsweise eine Liste sicherer Parkplätze mitgegeben? Wurden Möglichkeiten, sichere Parkplätze zu finden, genutzt, etwa über die ESPORG (European Secure Parking Organization) oder die TAPA (Transported Asset Protection Association)?
Fazit:
Abgesehen von der Schadensverhütung haben Sicherheits-Klauseln in Transportverträgen die Folge, dass ihre Missachtung dem Auftraggeber ermöglicht, seinen vollen Schaden geltend zu machen. Ob er damit Erfolg hat oder der Frachtführer dies abwehren kann, hängt allerdings von einem substantiierten Sachvortrag der Parteien vor Gericht ab. Die Beiziehung eines erfahrenen Vertreters, der die Realitäten im Transportgewerbe kennt, kann ausschlaggebend sein für die Durchsetzung oder die Abwehr von unbegrenzten Haftungsansprüchen.
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